Mit Büchern um die Welt: Interview mit Torsten Woywod

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Wann immer ich in einer neuen Stadt unterwegs bin, zieht es mich in die Buchhandlungen. Hier auf meinem Blog habe ich sogar eine eigene Rubrik dafür. Inspiriert dazu hat mich erstmals Torsten Woywod, der erst durch Europa und dann um die Welt reiste, um die schönsten Bücherorte zu entdecken. Damit erfüllte er sich einen Traum – und beantwortete mir ein paar Fragen dazu.

El Ateneo, Buenos Aires
© Torsten Woywod

Was war der Anlass, die Weltreise zu machen? Und warum gerade zu dem Zeitpunkt?

Mir war einfach danach (lacht). Mich haben Bücherorte grundsätzlich schon immer fasziniert. Ich war 2013 zum ersten Mal in Maastricht in einer Buchhandlung, die in einer Kirche integriert ist und war so beeindruckt davon, dass ich die Reihe „Die schönsten Buchhandlungen“ gestartet habe. Ich hatte damals schon den Traum, Buchhandlungen auf der Welt zu bereisen und daraufhin haben sich die Reiseverlage Meyer, DuMont, MarcoPolo bei mir gemeldet und angeboten, meinen Traum mit einem Interrail Ticket für Europa für 28 Tage zu unterstützen.

Wie hat sich die Organisation dieser Reise gestaltet?

Ich bin auf die erste Reise mit einer Vorbereitungszeit von 4 bis 5 Wochen aufgebrochen und habe herumgefragt, wer schöne Buchhandlungen in Europa kennt. Parallel dazu habe ich eine Facebook-Seite kreiert, auf der ich live über meine Reiseerlebnisse berichtet habe. Dadurch hat sich das Ganze immer mehr verselbstständigt, sodass ich im Laufe der Reise Tipps von etwa 50.000 Followern erhalten habe. Die Seite wurde dann immer internationaler – ich habe versucht, meine Beiträge mindestens zweisprachig zu schreiben, weil die Buchhandlungen, die ich besucht habe, meine Beiträge teilweise geteilt haben, wodurch ganz andere Leute auf das Projekt aufmerksam wurden.

Das klingt alles sehr kurzfristig. Was war bei der zweiten Reise anders?

Bei der ersten Reise habe ich grob bis Venedig geplant und war dort so schnell, dass ich plötzlich noch knapp zwei Wochen übrighatte, in denen ich komplett spontan unterwegs sein konnte.

Bei der zweiten Reise bin ich nicht ganz so spontan aufgebrochen. Ich hatte dann so ein knappes Jahr an… (lacht) na ja, Vorbereitungszeit wäre gelogen. Ich hatte zumindest ein bisschen Vorlauf, um immer wieder zu gucken, was „Buchhandlung“ zum Beispiel auf Chinesisch heißt. Dadurch konnte ich die Bücherorte in jedem Land einfach ergoogeln. Zusätzlich war da natürlich noch der spontane Faktor Interaktion, wobei die zweite Reise vergleichsweise geplanter verlaufen musste.

Durch die Flüge hatte ich ein grobes Korsett zusammengebucht, weil das dann spontan ein totales Glücksspiel gewesen wäre und ich immer gucken musste: Was gibt es für Verbindungen, was kosten die Verbindungen, brauche ich vielleicht noch ein Visum, oder so? Das ging dann nicht ganz so spontan. Trotzdem hatte ich noch ausreichend Freiheiten, falls ich mal irgendwo war, wo es mir so gut gefiel, dass ich nicht nur einen Tag bleiben wollte, sondern drei.

Was ist es für ein Gefühl, wenn man von so einer aufregenden Reise zurückkommt?

Als ich nach der ersten Reise zurückgekehrt bin, war ich voller Erfüllung und Glück, habe dann aber sehr schnell gemerkt, dass es irgendwie weitergehen muss. Ich saß am Montag nach der Reise im Büro und habe gemerkt: Das ist jetzt ein ganz anderes Leben. Du stehst jeden Tag um ungefähr dieselbe Uhrzeit auf, machst jeden Tag ähnliche Dinge, die Tage werden wahrscheinlich wenig Neues bereithalten. Das war alles schön, ich habe meinen Job sehr gerne gemacht, aber irgendwie war da noch was. Ich wollte dieses Projekt noch zu Ende bringen und habe dann gedacht: Okay, du musst einfach auch außerhalb Europas das sehen, was du immer sehen wolltest. Eden Books hatte sich bei mir gemeldet und wollte aus der ersten Reise ein Buch machen. Das habe ich dann noch neben meinem regulären Job geschrieben und bin ein knappes Jahr später wieder aufgebrochen.

Welches Land hatte für dich die schönsten Bücherorte?

Ich tue mich da immer schwer, weil man die Orte so wenig vergleichen oder gegeneinander abwägen kann. Ich fand aber Buenos Aires besonders schön – das war ja auch dieses UNESCO World Book Capital 2011. Dort hat jede Buchhandlung eine ganz eigene Geschichte – noch dazu gibt es dort die riesige Buchhandlung El Ateneo, die früher ein Theater war und bei dem die ganze Kulisse bis heute erhalten wurde. Dort wird in Abendstunden Live-Musik auf der Bühne gespielt und gleichzeitig ist ein Café integriert. Es ist eine ganz besondere Stimmung, wenn man da reinkommt. Eine Buchhandlung, wie ich sie bis heute kein zweites Mal gesehen habe.

Gab es auch Städte, die schön waren, aber hässliche Buchhandlungen hatten und andersrum?

Ich kann wirklich sagen: Ich war noch nie von einer Buchhandlung enttäuscht. Das liegt wahrscheinlich auch daran, dass ich auf dieser Reise jede Buchhandlung zum ersten Mal besucht habe und dass jede Buchhandlung für mich komplett neu war. Jede Buchhandlung hat zu einer Erkundungstour eingeladen und tatsächlich waren alle Buchhändlerinnen und Buchhändler total freundlich.

Ich bin ursprünglich auch gelernter Buchhändler – das war jedes Mal eine gemeinsame Basis.  Wenn ich eine Buchhandlung betrete, schaue ich erstmal und lass sie auf mich wirken. Und dann – bevor ich zum Beispiel Fotos mache – stelle ich mich erstmal vor. Irgendwie war es dabei verbindend, dass die Buchhändlerinnen und Buchhändler total begeistert waren und sowas am liebsten auch machen würden. Sie fragten, was ich schon gesehen hätte und teilweise war es dann auch so, dass sie ihrerseits irgendwelche Empfehlungen ausgesprochen haben. Nee, also mit so einer Geschichte kann ich leider nicht dienen (lacht).

Konntest du Unterschiede in der Aufmachung der Buchläden auf den Kontinenten feststellen?

Auch in Deutschland gibt es ja ganz unterschiedliche Konzepte von Buchhandlungen. Mir ist aber aufgefallen, dass vor allem im asiatischen Raum dieses Zusammensein sehr ausgeprägt ist, also sich lange in der Buchhandlung aufzuhalten. Das hat mich im ersten Moment überrascht, weil man ja, wenn man beispielsweise an Japan denkt, ein unglaublich arbeitsames Volk vor Augen hat. Deshalb hätte ich es nicht für möglich gehalten, dass es dort viele ausgesprochen gemütliche Buchhandlungen gibt.

Es gibt beispielsweise Buchhandlungen, wo dann die Öffnungszeiten von 7 Uhr morgens bis 2 Uhr nachts sind. Dort gehen die Leute hin, um neben Wohnung und Arbeit lange zu verweilen. Das ist anscheinend im kompletten asiatischen Raum Gang und Gebe – die Buchhandlungen sind ein Erlebnisort, wo dann so fünfzig Leute gleichzeitig alle für sich lesen.

Wenn du in der Zeit zurückreisen könntest, welchen Tipp würdest du dir selbst geben?

Eigentlich bin ich ein selbstkritischer Mensch, aber was diese Reise betrifft, bin ich total glücklich und dankbar. Ich möchte diese gesamte Erfahrung nicht missen und deswegen würde ich gar nichts ändern wollen und mich wieder genau in der Form auf diese Reisen einlassen wollen, weil es in der Gesamtheit ein unglaublich tolles, schönes und einmaliges Erlebnis war. Das wurde auch dadurch ausgelöst, dass man manchmal nicht so super vorbereitet war. Zufälle oder schöne Begebenheiten gibt es tatsächlich oftmals vor allem spontan. Und damit will ich jetzt nicht sagen, dass man am besten nicht so gut planen sollte, aber ich hätte mir rückblickend diesen Mix sehr gerne beibehalten, weil der zwar manchmal Stress bedeutet, aber vor allem auch schöne Begegnungen und Überraschungen.

Welche Bücher verbindest du denn besonders mit der Reise?

Wenn ich mich jetzt auf ein Buch festlegen müsste, dann wäre es „The Bookshop Book“ von Jen Campbell, einer englischen Buchhändlerin – ihre ersten Bücher waren Anekdoten von Kunden in ihrer Buchhandlung und irgendwann hat sie „The Bookshop Book“ veröffentlicht, das ausgewählte Bücherorte auf der ganzen Welt vorstellt, die sie aber gar nicht selbst bereist hat. Das Buch habe ich als Spontanvorbereitung für die erste Reise gelesen und mich dann auch mit Jen Campbell ausgetauscht.

Achtest du seit der Reise mehr darauf, aus welchen Ländern die Bücher kommen?

Darauf geachtet habe ich schon vorher immer sehr, aber was irgendwie schön ist: Dadurch, dass man jetzt einige Länder besucht hat, gibt es eine Assoziation. In China ist es übrigens so, dass bei übersetzten Titeln auf jeden Fall immer der Name des Autors und manchmal auch der Titel auf dem Cover in der Originalsprache abgedruckt wird. Das finde ich klug, weil es den Ursprung mittransportiert.

Wie ging es nach deiner Reise für dich weiter?

Ich bin zurückgekommen und da ist gerade das Buch zur ersten Reise erschienen. Das heißt, ich bin dann als erstes auf der Buchmesse 2016 gewesen und anschließend war ich knapp drei Monate auf Tour. Ich habe dann überall das erste Buch vorgestellt und dabei gleichzeitig aber auch schon ein bisschen etwas über die Weltreise erzählt. Ich hatte schon während der Weltreise Augen und Ohren offen gehalten, was es denn potentiell an Arbeit gäbe, was natürlich schwierig war, weil dann auch noch die Veranstaltungsreise dazwischen war. Ich war dann im Januar 2017 nochmal bei einer BuchCommunity, aber nur für ein dreiviertel Jahr und bin dann zu DuMont gegangen.

Hast du auch manchmal genug von Büchern?

Nein (lacht), ehrlich gesagt nein. Das kann ich ziemlich eindeutig beantworten. Als ich von der großen Reise zurückgekommen bin, habe ich auch überlegt, was ich eigentlich gerne machen würde. Da war ich an einer Stelle in meinem Leben, wo ich komplett frei war und die Möglichkeit hatte, neu anzufangen und das konnte ja auch außerhalb dieser Branche sein. Tatsächlich hatte ich damals – das habe ich auch noch nie irgendwo erzählt – sogar ein Vorstellungsgespräch bei einem Unternehmen, das nichts mit Büchern zu tun hat. Da musste ich mich ganz intensiv mit diesem Gedanken auseinandersetzen und habe gemerkt: Ich möchte gar nichts anderes machen, denn im Grunde ist es die schönste Branche, in der ich mir vorstellen kann, zu arbeiten. Weil das einfach ein ganz tolles Miteinander ist, nicht nur hier beim Verlag, sondern auch verlagsübergreifend. Das Ganze irgendwann nur noch von außen betrachten zu können… ich glaube, das würde mir weh tun. Ich bin sehr glücklich in der Branche und werde es wahrscheinlich auch immer sein.

Vielen Dank für das Gespräch!

Torsten Woywod
© Fotostudio Berns

Torsten Woywod ist gelernter Buchhändler. 2011 wechselte er in die Verwaltung der Mayerschen Buchhandlung und verantwortete dort das Online-Marketing sowie die BuchCommunity wasliestdu.de. 2015 startete er das Projekt »Around the World in 100 Bookshops« und bereiste zunächst die schönsten Buchhandlungen Europas. Der zweite Teil seiner Reise über alle Kontinente fand im Sommer 2016 statt. Für sein Engagement für die Buchwelt erhielt Torsten Woywod 2015 den Young Excellence Award des Börsenblatts und 2017 erhielt er einen BuchMarkt-Award in der Kategorie Online-Marketing. Seit 2017 ist er zudem im Bereich Social Media und Online-PR des DuMont Buchverlags tätig.

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