„Nach einer wahren Geschichte“ von Delphine de Vigan

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„Zwei Frauen lernen sich auf einer Party kennen. Die zurückhaltende Delphine, die sich mit fremden Menschen meist sehr schwer tut, ist sofort fasziniert von der klugen und eleganten L., die als Ghostwriter arbeitet. Aus gelegentlichen Treffen werden regelmäßige, man erzählt einander das eigene Leben, spricht über Familie und Freunde, vor allem über Freundinnen. Und natürlich über Bücher und Filme, die man liebt und bewundert. Delphine ist glücklich über die Gemeinsamkeiten und fühlt sich verstanden wie schon lange nicht mehr. Ganz entgegen ihrer Gewohnheit gibt sie in einem Gespräch über das Schreiben die Idee für ihr nächstes Buch preis. L. reagiert enttäuscht: Wie nur könne Delphine ihre Zeit auf eine erfundene Geschichte verschwenden? Eine Autorin ihres Formats müsse sich der Wahrheit verschreiben. Delphine ist entsetzt. L.s leidenschaftlich vorgetragene Forderung löst eine tiefe Verunsicherung in ihr aus. Bald kann sie weder Papier noch Stift in die Hand nehmen. L. scheint völlig unglücklich über das zu sein, was sie in der Freundin ausgelöst hat. Selbstlos übernimmt sie die Beantwortung von E-Mails, das Absagen von Lesungen und Interviews, das Vertrösten des Verlags, der auf einen neuen Roman wartet. Und all das in Delphines Namen. Keiner weiß davon, keiner kennt L., und so ist Delphine allein, als sie feststellt, dass L. ihr immer ähnlicher wird …“

Der Klappentext hatte mich sofort. Von dem Roman hatte ich mir einen psychologischen Thriller erwartet und genau das war er auch. Schon von Anfang an holt einen die Autorin ab und führt mit ihren ruhigen aber eloquenten Beschreibungen durch ihre Geschichte, die vorerst vollkommen autobiographisch wirkt. Die Art und Weise, wie sie das Kennenlernen von L. beschreibt, ihren mysteriösen Charakter und den Verlauf dieser Freundschaft, ist intelligent und ein bisschen so, als würde man sich mit einer Freundin unterhalten. Delphine de Vigan baut in ihrem Buch eine konstante Spannung auf, auch wenn nicht am Ende jedes Kapitels ein cliffhanger kommt und die Beschreibungen der Geschehnisse somit geringfügig langatmig sind. Hinzu kam, dass ich das Buch auf Französisch gelesen habe und dementsprechend ab und an Vokabeln nachschauen musste, die den Lesefluss für mich natürlich etwas verlangsamt haben.

Was mir neben dem Schreibstil jedoch am meisten an dem Buch gefallen hat, war die Tatsache, dass man irgendwann nicht mehr weiß, was nun stimmt und was nicht. „D’après und histoire vraie“ heißt der Roman, also: „Nach einer wahren Geschichte“. L. hatte Delphine stetig motiviert, über die Realität zu schreiben und sich von der fiktiven Welt zu entfernen. Und nun hat man als Leser dieses Buch in der Hand und fragt sich: hat L. wirklich existiert? Ist das Buch autobiographisch? Ist diese Geschichte eine Reaktion auf das, was L. in Delphines Leben hinterlassen hat? Diese Unwissenheit verursacht, dass der Roman zum Nachdenken anregt, genug Raum für Interpretation lässt und man am Ende alles hinterfragt, was scheinbar geschehen ist.

Ein sehr gelungenes Werk, das sich angenehm liest und auf jeden Fall zu empfehlen ist. Hier geht es übrigens zum Filmtrailer!

Delphine de Vigan: Nach einer wahren Geschichte. Dumont Verlag. ISBN: 978-3-8321-9830-5. 350 Seiten. 11,00€.

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